Online Unterricht Blog Beitrag

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Veröffentlicht am: 20.02.2018

Die traditionelle Art der Nachhilfe ist der persönliche Kontakt zwischen Lehrern und Schülern. Durch die digitale Revolution, die zurzeit hitzig diskutiert wird, ist es dem wirtschaftenden Menschen zu einem immer größeren Ausmaß möglich, seine Aktivitäten ortsunabhängig durchzuführen. Emails werden im Gehen gelesen, Überweisungen funktionieren mittels Fingerabdruck am Smartphone leichter als am PC und viele andere Arten der Kommunikation bzw. der Auftragsabwicklung gehen langsam in den ortsunabhängigen Modus über. Im Folgenden sollen ein paar Gedanken zum Übergang von der klassischen persönlichen Nachhilfe in den Online-Raum angerissen werden.

Der größte Vorteil der klassischen Methode lag bisher ganz klar in der höheren Informationsübertragungsrate. Gesten - auch subtilster Art - beeinflussen die Interaktion mitunter maßgeblich. Dies kann über Sympathie oder Abneigung und somit über die Kompatibilität (mit)entscheiden. Typischerweise wirft der Schüler Fragen auf und der Lehrer beantwortet diese auf einem vor ihm liegenden Zettel. Die Notizen des Lehrers kann der Schüler im Anschluss mitnehmen oder fotografieren und bei Rückfragen versuchen, das Gesagte zu rekonstruieren. Hier wird natürlich nicht alles behalten, also tritt ein Informationsverlust bis zur eventuellen Nachbereitung der Stunde auf. Es ist auch nicht immer einfach, die Darstellungen des Lehrers zu rekonstruieren, da viele Details nicht schriftlich festgehalten werden. Dies ist einerseits für die ausführliche Erklärung der Fragestellung meist nicht notwendig ist, andererseits erfordert die Flüssigkeit des Vortrags eine gewisse Simplifizierung.

Der größte Nachteil besteht sicherlich in der Ortsabhängigkeit (und damit verbundenen Transportkosten), die eine drastische Limitation des verfügbaren Potentials darstellt. Ausgezeichnete, enthusiastische und fachkundige Lehrer werden damit auf einen bestimmten Radius beschränkt. Umgekehrt können Schüler lediglich aus einem kleineren Pool von Lehrern wählen.

Wie weit ist der Online-Unterricht im Moment und welche kostengünstigen Möglichkeiten bestehen bis dato?

Derzeit ist eine leicht umsetzbare Variante verfügbar: Skype und Dokumentenkamera (beim Lehrer). Dabei kann man ohne großen Aufwand die Unterrichtsstunde per Screen Capture aufzeichnen, sodass der Schüler eine optimale Möglichkeit zur Nachbereitung hat – alles Gesprochene und Niedergeschriebene wird festgehalten. Bei Rückfragen kann also ganz einfach das Video angesehen werden und die Rechenschritte perfekt nachvollzogen werden. Selten sind Schüler in der Lage, den gesamten Inhalt beim ersten Anlauf aufzunehmen. Deshalb ist die Möglichkeit für Rückfragen und Repetition so wichtig. In den meisten Fällen haben beide Teilnehmer eine hinreichend gute Internetverbindung, um Videoinhalte in lesbarer Qualität zu übertragen. Mit LTE-Internet am Laptop besteht hier bereits jetzt eine stark ausgeprägte Ortsunabhängigkeit. Ein systematischer Nachteil des aktuellen Online-Unterrichts ist, dass der Schüler ohne passender Kamera nicht ohne zeitliche Verzögerung in Echtzeit für den Lehrer sichtbar schreiben kann. Man könnte zwar Fotos machen, die Zeitverzögerung stört aber immens. Diese Problematik kann man z.B. durch Hausübungen umgehen, die vor der Stunde geschickt werden und im Unterricht korrigiert bzw. erklärt werden. Es gibt also Methoden, um den Schreibaufwand des Schülers zu minimieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass diese Einschränkung keine wesentliche Behinderung des Unterrichts ist. Konkrete Fragen in Form von Beispielen werden einfach via WhatsApp oder Skype als Bild gesendet und anschließend erklärt. Hierbei entsteht eine erträgliche zeitliche Verzögerung. Bisweilen zeigt sich bei Eltern eine eher skeptische Haltung gegenüber dem Online-Unterricht („Wir können es ja mal probieren.“). Oft sind es die Schüler selbst, die sofort auf das Pferd aufspringen und von der Methode begeistert sind. Obwohl die Nachbereitung mithilfe eines Videos äußerst sinnvoll sein kann (aber leider zu selten genutzt wird), sieht der Idealfall anders aus: VORhilfe statt Nachhilfe. Hierbei befindet man sich im zweiten Quadranten von Steven Covey’s Zeitmanagement-Matrix:

Aktivitäten in diesem Quadranten zielen auf Antizipation ab. Auch nicht dringende aber sehr wohl wichtige Aufgaben werden sofort nach den wichtigen und dringenden Aufgaben erledigt. Man kann diese Idee auf den Einzelunterricht übertragen.
Man geht den bald in der Schule kommenden Stoff mit dem Schüler durch und lernt so mithilfe kompetenter Unterstützung voraus. Dies kann auch so erfolgen, dass der Schüler ein Themengebiet bearbeitet. So ist einerseits die alleinige Beschäftigung des Schülers gegeben, die ihn zwingt, selbst zu denken, andererseits können allfälligen Fragen zum Gebiet sofort geklärt werden. Dies ist meiner Ansicht nach die beste, nachhaltigste, am meisten Freude bringende Form des Unterrichts. In 99,9% der Fälle, in denen Eltern Einzelunterricht suchen befinden sie sich im ersten Quadranten in der obigen Abbildung. Die Zeit muss dann ausschließlich für die aktuellen Probleme bzw. für die bald anstehende Prüfung genutzt werden. Der größte Vorteil im VORlernen ist die Stärkung der Selbstsicherheit des Schülers. Typischerweise kann ein vorbereiteter Schüler die meisten Fragen des Lehrers beantworten, was definitiv zur Freude des Vortragenden und des Schülers beiträgt.

Wie könnte die Zukunft des Online-Unterrichts aussehen?

Firmen wie beispielsweise Magic Leap, die bereits mit 1,9 Mrd. USD finanziert wurde, arbeiten an der Perfektionierung von Augmented Reality – der Verschmelzung von digitaler und realer Welt im visuellen Bereich. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür kann man hier bewundern:
https://goo.gl/yJStpZ
Auf der Website der Firma liest man unter anderem: „Connect in physical space with others, digitally. It’s a new way to communicate and share experiences with friends and colleagues. Call it collaboration for another dimension.” (Gemeint ist eine VR-Brille).
Setzt sich die Technik durch und die Verbreitung von Hologram-Equipment und/oder Virtual-Reality-Brillen ist weit genug fortgeschritten, könnte diese Technologie einen Quantensprung im Online-Unterricht darstellen. Voraussetzung dafür ist die hinreichend realitätsnahe Simulation der Präsenz des Lehrers, um die Datenübertragungsrate so nahe wie mögliche an die der tatsächlichen Präsenz zu bringen.
Virtuelle Klassenzimmer können dynamisch entstehen; mit Teilnehmern aus allen Teilen der Welt – Saalmieten und damit verbundene Kosten entfallen und machen den Prozess effizienter.
Der Online-Unterricht als Substitut für tatsächliche Präsenz wird in dem Maße reüssieren, in dem die Simulation der Wirklichkeit gelingt. Die Energie, der Enthusiasmus, die Faszination des Vortragenden müssen mitübertragen werden. So ungefähr stelle ich mir die Zukunft des Online-Unterrichts vor: Eine effiziente Zusammenführung von Angebot und Nachfrage durch (fast) völlige Beseitigung der Ortabhängigkeit.